Interventionen zur Kunst am Bau
Wormser Kulturzentrum
26.08.-02.10.2011
KUNST r a u m WORMSER vom 19. August bis 2. Oktober
Kunstraum ist eine Veranstaltungsreihe, in der jeweils freitags Kunst am Bau als temporäre Kunstaktion am und um das Wormser Kultur- und Tagungszentrum herum realisiert wird. Künstler aus verschiedenen Bereichen haben speziell für diesen Ort Kunstwerke und künstlerische Interventionen entwickelt und präsentieren ihre Werke immer freitags im und am Wormser. Zum Abschluss am 1. und 2. Oktober werden die Kunstwerke und ihre dokumentierten Spuren bei einem Gastmahl noch einmal gezeigt. Jeden Freitag vom 19. August bis zum 30. September gibt es folgendes, festes Veranstaltungsformate am Wormser:
15 -17 Uhr Wahrnehmungswerkstatt
Kunstvermittlung durch die mobilen Werkstätten von moKKa auf dem freien Platz vor dem Gebäude mit der Künstlerin Anna Bludau-Hary. Dieses kostenfreie Angebot für Kunst zum Mitmachen richtet sich an alle interessierten Bürgerinnen und Bürger.
17-18 Uhr Kunstwerk/Kunstaktion
Künstler aus den Bereichen Aktion, Fotografie, Installation, Malerei, Performance, Tanz und Musik werden ihre speziell für das Gebäude entwickelten Projekte präsentieren.
ab 18 Uhr Kunstgespräch
mit Musik von [Esc.]Laboratory und Drinks von Philipp Pöhlert-Brackrock.
In einer entspannten Loungeatmosphäre können Künstler und Gäste Kunstgespräche bei Musik und Drinks genießen.
Kunst am Bau - etwas anders
Kunst am Bau, das ist normalerweise ein für immer und ewig fest mit dem Gebäude verbundenes Kunstwerk. In Worms ist dies am Neubau des Wormser Kultur- und Tagungszentrums etwas anders. Hier gab es im Rahmen der Wettbewerbsentscheidung die Möglichkeit, neben dem realisierten Kunstwerk der Gruppe „inges idee“, auch temporäre künstlerische Interventionen zu realisieren.
Von 2011 bis 2014 wird ein Teil der Mittel für Kunst am Bau - wie von der Jury empfohlen - in Symposien umgesetzt, die vom Kunstbeirat der Stadt Worms betreut werden und einen Ankauf beinhalten. Mit der Konzeption und der Kuratierung der Symposien werden Bildende Künstler/innen beauftragt. Im ersten Jahr 2011 wird das Symposion eine Veranstaltungsreihe unter dem Namen „Kunstraum“ sein. Ziel der von August bis September 2011 stattfindenden Veranstaltungen ist die Etablierung des Kultur- und Tagungszentrums als Kunstort. Dazu gehört auch die Vermittlung der Kunst am Bau im konkreten Fall, aber auch die Bedeutung von Kunst im öffentlichen Raum am Beispiel des Kultur- und Tagungszentrums.
„Kultur für alle“ - In Abwandlung des Satzes von Hilmar Hofmann soll in künstlerischen und kulturellen Interventionen erforscht werden, wie weit öffentliche Kunst heute eine „Kunst für alle“ sein kann, wo dieses „alle“ doch ein sehr „vielfältiges“ geworden ist und es nur sehr wenig Übereinstimmung über gemeinsame kulturelle oder gar künstlerische Werte zu geben scheint. Die Möglichkeit der selbstverständlichen Teilhabe unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen an den Belangen des Öffentlichen, zu denen neben Politik und Verwaltung selbstverständlich auch Kultur und Kunst gehören, soll durch Kunst und Kunstvermittlung am Wormser Kultur- und Tagungszentrum gezeigt werden.
Welche Möglichkeiten gibt es für Kunst am Bau als nicht nur akzeptierte sondern vielleicht auch antizipierte Gestaltsetzung? Kann durch künstlerische Interventionen und eine durch Kunstvermittlung im öffentlichen Raum erhöhte Kunstrezeption ein wirksames kulturelles Interesse an öffentlichen Gebäuden und öffentlichem Raum entstehen? Diese Fragen sollen durch Künstler und Wissenschaftler in Form des diesjährigen Kunstraumes erörtert werden.
Das Veranstaltungsformat Kunstraum bietet vorbereitende Wahrnehmungswerkstätten zur Kunst, die Präsentation temporärer Kunstwerke der eingeladenen Künstler, Kunstgespräche zum Diskurs über Kunst und eine Dokumentation zur Erinnerung an Kunst. Kuratiert wird die Veranstaltungsreihe KUNST r a u m WORMSER von den beiden Künstlern und Architekten illig&illig.
Die Präsentationen der Künstler und ihrer Werke:
Freitag 19.08.2011
inges idee
17.00 offizielle Einweihung des Kunstwerks „Blatt“
17.30 Vortrag Prof. Thomas Schmidt /inges idee
18.30 Kunstgespräch mit Loungemusik und Drinks
„inges idee arbeitet als künstlerisches Kollektiv im öffentlichen Raum. Dort geht es darum, ein Gespür für Möglichkeiten und Besonderheiten eines Ortes zu entwickeln und auszuloten, was ein konkreter Eingriff auszurichten vermag. Das geschieht im Dialog mit dem jeweils vorgefundenen Ort, der, im Gegensatz zum referenzlosen „White Cube“ in Museen und Galerien, nicht statisch und zeitlos ist, sondern einem ständigen Veränderungsprozess unterliegt.“ So lautet das künstlerische Statement der vier männlichen Künstler, die unter dem etwas ungewöhnlichen Namen „inges idee“ Ideen und Projekte für Kunst im Freien oder eben im sogenannten öffentlichen Raum entwickeln.
In Düsseldorf hat die Gruppe mit überdimensionalen Schmuckstücken ein nüchternes Parkhaus mit überdimensionalem Piercingschmuck „verziert“.
Bei einem Projekt für eine Gartenschau haben sie das Spielfeld dem welligen Boden angepasst. Ein Fußballfeld wird genau in der Mittellinie von einem Bach geteilt und in Berlin haben Sie nichts auf die lange Bank geschoben, sondern diese als 30 Meter langes Möbelstück im Rahmen einer Ausstellung realisiert. Manchmal nehmen sie die Dingen wörtlich bis hin zum Paradoxen und manchmal machen Sie Sachen, die eigentlich ganz einfach sind, aber dann bei genauer Betrachtung vielfältige Bezüge aufscheinen lassen.
Welche Sachen die vier Künstler noch machen und warum sie das machen, das kann man am Freitagabend erfahren. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe Kunstraum wird um 17 Uhr das Kunstwerk vor dem Wormser offiziell eingeweiht. Der an der Mainzer Kunstakademie lehrende Prof. Thomas Schmidt wird dann über die Projekte sprechen, die er mit seinen Kollegen im Namen von „inges idee“ Wirklichkeit werden lässt.
inges idee besteht aus den Künstlern Hans Hemmert, Axel Lieber, Thomas A. Schmidt und Georg Zey, die seit der Gründung 1992 in Berlin gemeinsam an Projekten im öffentlichen Raum arbeiten. Neben dem Arbeiten in der Gruppe sind alle Mitglieder in ihrer individuellen künstlerischen Praxis aktiv.
inges idee arbeitet als künstlerisches Kollektiv im öffentlichen Raum. Dort geht es darum ein Gespür für Möglichkeiten und Besonderheiten eines Ortes zu entwickeln und auszuloten was ein konkreter Eingriff auszurichten vermag. Das geschieht im Dialog mit dem jeweils vorgefundenen Ort, der, im Gegensatz zum referenzlosen „White Cube“ in Museen und Galerien, nicht statisch und zeitlos ist, sondern einem ständigen Veränderungsprozess unterliegt. Um einen Ort richtig zu begreifen, bedarf es einer Untersuchung seiner räumlichen, sozialen und historischen Gegebenheiten.
Kunst im öffentlichen Raum kann einen vorgefundenen Kontext verschieben um den Blick auf andere Wirklichkeitsaspekte zu öffnen. Wenn das gelingt wird der Ort interessanter und reicher. Der gewohnte Ablauf des öffentlichen Lebens wird für einen Moment unterbrochen und der Betrachter erhält die Möglichkeit über das zu reflektieren, womit er sich unerwartet konfrontiert sieht.
Das kann ganz unmittelbar geschehen, und muß nicht notwendigerweise theoretischer Natur sein. Diese Unmittelbarkeit der Erfahrung ist ein demokratisches Erlebnis, das inges idee versucht in Gang zu setzten. Es geht um eine Neubestimmung des Ortes und die Beziehung des Betrachters zu dem was er dort wahrnimmt und erlebt. Gelungene künstlerische Eingriffe bereichern nicht nur den Ort im Allgemeinen, sondern insbesondere die Menschen, die ihn als Erweiterung ihrer privaten Sphäre erleben können.
Kunstwerk Blatt
Das alte Spiel- und Festhaus in Worms erhält einen großzügigen Anbau, in dem ein Kultur- und Tageszentrum Platz finden wird. Der geschwungene Neubau schließt sich seitlich an die befindliche Bausubstanz an, wobei die Blutbuche ins Zentrum des Vorplatzes gerät und diesen mit ihrer mächtigen Präsenz prägt.
Vor diesem Hintergrund wird eine organisch geformte Skulptur auf dem Vorplatz positioniert. Die Plastik entwickelt sich aus einem dünneren Sockelhals am Boden zu einer ballonartigen auskragenden Blase wie aus flüssigem Quecksilber. Sie erinnert abwechselnd an eine Quelle, Wolke oder einen Baum. Die Skulptur ist aus poliertem Edelstahl gefertigt und spiegelt die gesamte Umgebung auf ihrer gekrümmten Oberfläche. Im oberen Drittel befindet sich wie eine befremdliche Störung ein großes, naturalistisch geformtes Lindenblatt.
Den Ausgangspunkt des künstlerischen Entwurfes bildet die Nibelungensage, die mit der Stadt Worms untrennbar verbunden ist. Siegfried, der tragische Held der Sage, ist ein unerschrockener und starker Jüngling, der durch das Bad im Blut des von ihm erlegten Drachens praktisch unverwundbar wird. Ein Lindenblatt jedoch, welches beim Bad im Blute des erlegten Drachens vom Herbstwind auf Siegfrieds Schulter geweht wird, verhindert den vollkommenen Schutz seines Körpers und markiert fortan die einzige Schwachstelle des Helden, die ihm schließlich, im Zuge einer Intrige, zum Verhängnis wird. Das Blatt, ein zunächst unscheinbares Detail der Erzählung, wird zum Katalysator des tragischen Verlaufes der Geschichte, der durch den heimtückischen Mord an Siegfried unwiderruflich in Gang gesetzt wird.
Der Entwurf nimmt des Themas des Lindenblattes auf eine ungewöhnliche Weise auf und generiert hieraus ein reiches Assoziationsgeflecht. Die vorgeschlagene Skulptur besteht aus zwei konträren Teilen: der abstrakten Basis und der konkreten, naturalistischen Applikation eines Lindenblatts. Aus der surrealen Kombination dieser beiden Elemente entwickelt sich das reiche Potential des Entwurfs. Während die schillernde Wolke für den mythischen Stoff der Sage stehen kann, der sich eruptiv im Stadtraum Platz verschafft, punktiert das Blatt als konkrete Störung die Perfektion der Skulptur, wie einst den unverwundbaren Körper Siegfrieds. Die abstrakte und geschlossene Form erfährt eine poetische Bruchstelle, an der sich die unterschiedlichsten Vorstellungen und Projektionen der BetrachterInnen festmachen können. Gedanken an glänzenden Ritterrüstungen und Schilder können ebenso Raum finden wie mögliche phantasierte Verkörperlichungen aus dem gleißenden Material heraus - ähnlich den Mutationen des Hollywoodfilms „Terminator“. Die avancierte Perfektion einer High-Tech Skulptur des 21. Jahrhunderts steht jedoch nur scheinbar im Gegensatz zum uralten Stoff der Nibelungensage. Das Blatt bildet den blinden Fleck auf der ansonsten hermetisch reflektierenden Oberfläche – und ermöglicht so jedem Betrachter seine individuelle Version des Mythos zu imaginieren, und die Sage aufs Neue entstehen zu lassen.
Die organische geformte Skulptur nimmt ausdrücklich auf das geschwungene architektonische Umfeld Bezug, wobei sie einen spektakulären Mittelpunkt markiert, indem sie die gesamte Ungebung auf ihrer Oberfläche bündelt. Sie tritt darüber hinaus in einen Dialog mit einem weiteren bestimmenden Akteur des Platzes, der Blutbuche, der sie nicht nur durch eine formale Analogie verbunden ist (abstrahierte Baumform), sondern auch durch weitreichende inhaltliche Verknüpfungen (Baum/Blatt, Blut-Buche/Drachen-Blut).
Von Nahem betrachtet ergeben sich immer wieder neue, faszinierende Reflektionen des Umfeldes, das der Skulptur auf ihrer Oberfläche eingeschrieben ist. Von weitem erscheint die Skulptur als emblematisches Zeichen, das dem Vorplatz eine eigene und unverwechselbare Identität verleiht.
Freitag 26.08.2011
Prof. Diethard Herles
Der Wormser Motivsucher
Ein Kunstprojekt von Diethard Herles im Wormser Theater-, Kultur- und Tagungszentrum vom 26. August bis 2. Oktober 2011
Es ist ein unausgesprochener Auftrag, den Diethard Herles den Besuchern des Wormser Theater-, Kultur- und Tagungszentrum – kurz des „Wormser“ – beim Betreten des Gebäudes in die Hand gibt: den „Wormser Motivsucher“. Ein schwarzes Rechteck aus Karton mit einem Durchbruch in der Mitte. 2 x 8 cm misst der Durchbruch. Also ein ungewöhnliches Format, durch das hindurch das Gebäude sehend erkundet werden kann. Was dabei erfahren wird, beschreibt ein kurzer beigefügter Text so:
„Was wir wahrnehmen, sind Bedeutungen: eine Treppe ist eine Treppe, ein Kleiderhaken ein Kleiderhaken, eine Wand eine Wand. Was wir sehen aber sind Formen, Kontraste, Textur. Einen Ort erleben heißt zuerst diesen zu sehen.“
Den Ort mit Hilfe des „Motivsuchers“ zu sehen hilft, von Bedeutungen abzusehen und mit künstlerischem Blick formale Gegebenheiten zu entdecken.
Was er denn fotografiere, war Herles von Besuchern des Wormser gefragt worden, als er dort sein Projekt zunächst fotografisch vorbereitete. Dort, wohin die Kamera gerichtet war, gebe es doch gar kein Motiv. Genau darum geht es: bildnerische Motive zu zeigen, wo sie nicht jeder entdeckt.
Bildende Kunst richtet sich an den Gesichtssinn; sie ist für die Augen gemacht. Augen aber hat die Natur zu keinem anderen Zweck entwickelt, als zum Gewinn von Information. Visuelle Wahrnehmung – also die Verarbeitung von Sehreizen zu sinnvoller Information – funktioniert deshalb ausgesprochen ökonomisch. Sie ist ein Prozess neuronaler Datenverarbeitung und gibt sich mit dem Erkennen zufrieden. Ein Vorgang, der Bedeutung hat für unsere Orientierung und unser Handeln. Deshalb ist es so schwierig und bedarf des künstlerischen Trainings, die natürliche Funktion visueller Wahrnehmung auszuschalten und anstelle von Bedeutungen formale Gegebenheiten im Gesichtsfeld zu erkennen. Das Ergebnis ist ästhetischer Genuss. In diesem Falle auch ein Aufmerksamwerden auf die Ästhetik der Architektur des Wormser.
Diethard Herles hat sich seinem Auftrag an die Besucher selbst unterzogen und führt seine Sehweise exemplarisch vor. Auf 16 Stelen (30 x 120 cm) sind grafisch verfremdete Blicke auf Details der Architektur des „Wormser“ zu sehen. Persönliche Perspektiven künstlerischen Blickes. Mit wenigen Farbelementen überarbeitete Schwarz-weiß-fotografien um bestimmte formale Gegebenheiten zu verdeutlichen. Etwa Kurven und Rhythmen oder Ornamente, die sich durch die Reduktion wiederkehrender Objekte im Raum auf die zweidimensionale Fläche ergeben. Die Stelen sind im Gebäude verteilt aufgestellt. Nicht unmittelbar am bzw. vor dem gezeigten Detail aber in der Nähe. Ein Such- und Sehspiel, das eben nicht nur auf gestalterische Qualitäten aufmerksam macht, sondern auch zu eigener sehender Erkundung anregt. Dass die Zuordnung der Bilder auf den Stelen zu Situationen vor Ort nicht immer leicht ist, liegt nicht nur an dem gewählten ungewöhnlichen Format, sondern auch daran, dass mitunter das Gesehene in verfremdender Position gezeigt wird. Aus waagrecht kann senkrecht werden oder Zwischenräume zum Eigentlichen.
Ob es sich bei dem Projekt um reine Kunst handelt oder nicht auch um etwas Didaktisches, also um „didaktische Kunst“, ist Diethard Herles gleichgültig. „Den Unterschied kenne ich nicht“, sagt er. „Selbst Kunst, die nur sie selbst sein möchte, sog. l´art pour l´art, teilt dem Betrachter doch etwas mit; nämlich dass es etwas geben darf, das nichts anderes ist als es selbst. Eine zutiefst pädagogische Botschaft!“
Diethard Herles ist Professor am Institut für Kunstwissenschaft und Bildende Kunst der Universität Koblenz-Landau, Campus Landau. Bevor er in die Pfalz kam war er bei den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen und für andere Kunstsammlungen als Experte für Vermittlungskonzepte tätig. Es sind Denkanstöße und für den Ausstellungsbesucher ortsgebundene Anlässe zu eigenem ästhetischen Handeln, die seine Kunst vermittelt.
02.09.2011
Petra Simon
situationistische Intervention
Hoteleröffnung am Wormser!
Das lang erwartete Hotel am Wormser wird am Freitag, den 2. September um 17 Uhr symbolisch eröffnet. Die erste Nacht ist kostenlos, und ab 20 Uhr gibt es gratis dazu individuell vorgelesene Gutenacht-Geschichten.
Diese Ankündigung wird Wirklichkeit, wenn auch nur für die Dauer des „Projekts Situationistische Intervention P.Si“ von Petra Simon. Diese findet Im Rahmen der Veranstaltungsreihe KUNST r a u m WORMSER statt.
Am Freitag, den 2.09.2011 ab 17 Uhr werden 12 Betten mit je einem Stuhl und einer Lampe auf dem Parkplatz neben dem Wormser verteilt aufgestellt. Mit Einbruch der Dunkelheit, ab 20.00 Uhr kann man sich dann zu Bett begeben und bekommt im Schein einer Lampe ausgewählte Gutenachtgeschichten vorgelesen. Zum Zuhören eingeladen sind alle, Gäste und Passanten, und auch zum Vorlesen kann jeder kommen, der eine 10 bis 15 Minuten-Geschichte erzählen, vorlesen oder vortragen möchte.
Ein Hotel ist ein Ort der Begegnungen. Und an dem Standort, an dem später das Hotel für das Wormser stehen wird, entfaltet sich schon am 2. September für die Wormser dieser Ort zur Begegnung und schafft Beziehung zwischen Mitwirkenden und Publikum, Vorlesern und Zuhörern, und vermittelt vielleicht schon jetzt auch ein Gefühl von Geborgenheit und Heimat in der eigenen Stadt.
Vorher und nachher gibt es natürlich gute Drinks an der Bar von Phillip Pöhlert-Brackrock mit der speziell für das Wormser komponierten Musik von [Esc.) Laboratory. Und ab 15 Uhr ist die Kunst- und Kulturakademie moKKa mit Anna Bludau-Hary und Wahrnehmungsübungen auf dem Vorplatz aktiv.
Petra Simon kam 2004 zu den Nibelungen-Festspielen nach Worms und ist seit 2006 Leiterin des Künstlerischen Betriebsbüros. Dort ist sie u.a. auch für das begleitende Kulturprogramm verantwortlich.
Mit Petra Simon als Anstifterin werden Bürgerinnen und Bürger die Gelegenheit haben den zukünftigen Ort des Hotels gedanklich "vorweg zu erleben". Vorleserinnen und Vorleser die mitmachen möchten, können sich gerne vorab bei Petra Simon melden. (0163- 853 40 82)
Wie wirklich ist die Wirklichkeit?
„P.Si Projekt Situationistische Intervention“ – Petra Simon lädt zu einer Vorlesung der besonderen Art. Zwölf Zuhörer und zwölf Erzähler – zwölf Betten auf dem Parkplatz – hier wird einmal ein Hotel stehen – hier werden einmal Gäste schlafen – Was ist wirklich? Was ist Vorstellung?
Der Philosoph und Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick beantwortete die Frage nach der Wirklichkeit in seinem radikalen Konstruktivismus, mit seiner bekannten Geschichte von dem Mann, der sich einen Hammer leihen möchte und überlegt, ob der Nachbar einen Hammer hat, und wenn der Nachbar einen Hammer hat, ob er diesen auch verleiht.
Oder, wenn er einen Hammer hat, ob er diesen vielleicht nicht verleiht? Oder ob er diesen Hammer vielleicht nicht verleiht, weil er befürchtet, ihn nicht mehr zurückzubekommen, oder ob der den Hammer nicht verleiht, weil er befürchtet, dass damit Lärm entstehen würde, oder ob er den Hammer vielleicht nur an ihn selbst nicht verleihen wird, weil er ihn nicht leiden kann usw. usw. Die Befürchtungen werden immer schlimmer. Zum Schluss reißt er seine Tür auf, klingelt gegenüber beim Nachbarn und schreit diesem ins Gesicht: „Behalten Sie doch Ihren Hammer!“
Der Mann hatte nur in seinen Gedanken eine neue Wirklichkeit geschaffen, auf die er dann so reagieren musste.
Wie wirklich die Wirklichkeit ist, diese Frage wurde auch in den 60er Jahren von dem Schriftsteller Guy Debord und seiner Gruppe aus Architekten, Filmemachern, Künstlern, Intellektuellen und Theaterleuten gestellt, die hauptsächlich unter dem Namen „Situationistische Internationale“ in Paris die Erweiterung des Kunstbegriffes nicht nur propagierten, sondern auch ganz konkret lebten.
Mit ihren neuen künstlerischen Methoden des Umherschweifens, der Zweckentfremdung und der Konstruktion von Situationen schufen sie ganz neue ungewohnte Möglichkeiten und eben auch neue Wirklichkeiten für Kunst und Kunstvermittlung in der Stadt.
„Unter dem Pflaster liegt der Stand“ war eines ihrer bekannten Postulate, das über die Studentenbewegung und Daniel Cohn-Bendit schließlich in Form der ersten Szenezeitschrift nach Frankfurt kam.
Der öffentliche Raum im tatsächlichen und übertragenen Sinn wurde für die Aktivitäten der Gruppe zur Leinwand, zur Projektionsfläche ihrer Interventionen. Die Konstruktion von Situationen, in denen ein neues Erkennen, ein neues Wahrnehmen von Bekanntem ermöglicht wurden, spielten eine zentrale Rolle in ihrem Schaffen.
P.Si Projekt Situationistische Intervention
Die Verbindung von radikalem Konstruktivismus im Sinne von Watzlawick mit der Konstruktion von Situationen lässt sich hier an der szenischen Intervention von Petra Simon in poetischer Hyperrealität erfahren.
Diese szenische Intervention möchten wir als „konstruktiven Situationismus“ bezeichnen. Es entsteht im Unterschied, beziehungsweise in Weiterführung der Tradition der Situationisten, nicht lediglich eine kritische Analyse und Negation des Bestehenden, sondern darüber hinaus scheint ein hoffnungsvolles Moment auf.
Eigentlich lassen nur ein paar Betten mit Lampen und Stühlen einen Raum entstehen, der weit über den realen Raum und auch über den projektierten Raum hinausgeht. Der Parkplatz ist nicht mehr nur Parkplatz, sondern über den Umweg der Vorstellung der zukünftigen Hotelnutzung wird er zum Rastplatz.
Die Situation des „Vorgelesen-Bekommens“, erhält durch die Konnotationen Heimat, Kindheit, Geborgenheit einen über den Ort hinausweisenden, individuellen Ortsbezug in der persönlichen Wirklichkeit der Besucher.
Die Verbindungen zu Architektur, Kunst und Theater auf der einen Seite und die Möglichkeit der Besucher, gleichermaßen Protagonist und Rezipient zu sein, eröffnen viele neue Kunsträume.
Unter dem Pflaster liegt somit nicht nur der Strand, über dem Asphalt steht auch das Hotel, und der Hammer bleibt, wo er ist, damit Sie in Ruhe Gutenacht-Geschichten hören können.
09.09. horstundireneschmitt
Performance mit Wasser und Zeit
Das aus Mainz stammende Performance-Duo horstundireneschmidt, alias Stefan Brand und Tanja Rolfs, werden vor dem Wormser auf dem Vorplatz Vergangenheit und Zukunft in einer Aktion zusammenfliessen lassen.
WORMSER Z Y K L U S
partizipatorische Aktion mit horstundirenschmitt
Am 9.9. 2011 werden horstundireneschmitt die Wormser Bürger dazu auffordern, in einem Happening „Das Wormser“ gemeinsam symbolisch via Rheinwasser zu ventilieren und mit Wein zu weihen. h.i.s. greifen in ihrem Konzept eine architektonische Besonderheit des Bauwerks, dessen kreisförmigen Arrangements, auf, anhand derer sie durch temporäre performative Gestaltung metaphorisch den Zyklus des Lebens und letztlich auch der Kultur und Architektur nachempfinden möchten.
1999 gründen Tanja Roolfs und Brandstifter das Performanceduo horstundireneschmitt. Angeregt durch die Frankfurter Rundschau, die Brandstifters Performance im Frankfurter Gallustheater den Charme eines Sicherheitsanweisungen herunterbetenden Flugbegleiters unterstellt, entwickeln h.i.s. die Performance „Airline Gallery“, die sie 1999 als Pilot und Flugbereiterin im Kunsthaus Wiesbaden und zuletzt 2003 im Landesmuseum Mainz aufführen. 2000 mit Gründungsmitgliedern der von Al Hansen in Köln initiierten „Ultimate Akademie“ beim Performancefestival TITANICUM in der Mainzer Galerie Walpodenstraße 21.
16.09. Prof. Hans Lamb
Skulptur über Wege zum Wormser
Der in Hildesheim lehrende Wormser Hans Lamb hat mit einer skulpturalen Installation mit Bürgerinnen und Bürgern Wege zum Wormser gestaltet.
„20 Wege zum Wormser“
Der 1965 in Worms geborene Hans Lamb ist freischaffender Bildhauer und unterrichtet als Professor an der HAWK Hildesheim künstlerische Grundlagen. Die künstlerische Arbeit von Hans Lamb ist vielseitig: sie geschieht zwischen den Disziplinen und über die Sparten der Bildenden Kunst - zwischen Zeichnung, Skulptur, Installation, Projekt und Konzept - zwischen (Inter-)Aktion und Kontemplation.
Mit dem Projekt "20 Wege zum Wormser" wird der Bildhauer Hans Lamb an diesem Freitag zusammen mit Bürgerinnen und Bürgern eine Installation erstellen. Das Erleben des Menschen ist bestimmt von WEGEN und ORTEN. Ankommen und Unterwegs-Sein sind zwei elementare Zustände unserer Wahrnehmung, unseres Selbstverständnisses und unserer Befindlichkeit. ORT und WEG sind somit hervorragende Erfahrungsräume. Die individuellen Wege von 20 Wormser Bürgern zum neuen Veranstaltungsort "Dem Wormser" werden im Werkstoff Stahl materialisiert und zu einer Skulptur verbunden. Teilnehmer und Zuschauer haben hier die Gelegenheit, den Werkprozeß einer Skulptur unmittelbar von der Idee über die Konzeption bis zur handwerklichen Umsetzung einer Arbeit und ihrer Vermittlung zu verfolgen.
Zitat aus dem Kunstkatalog "simultane Simulationen":
"...die Kunst - so läßt sich Hans Lambs Programm zusammenfassen - rückt dem Betrachter nahe, weil sie ihre Bedingungen offen legt und freiwillig ihre tricks verrät. gleichzeitig - und das ist vielleicht die entscheidende Pointe im werk - erweist sie sich als autarke "parallele Welt" und behauptet stets eine ironische Distanz - indem sie sich nicht fixieren läßt, indem sie weder kalkulierbar noch steuerbar ist..." (Peter Joch, Kunsthalle Darmstadt)
23.09. Klaus Hopf
Malerei zur Hoffnung
Der Maler Klaus Hopf wird für das Wormser einen 30 meter langen und 7 meter hohen Vorhang bemalen und an der Westfassade über der Anlieferung für 14 Tage präsentieren.
Vorhang der Hoffnung
Konzept und Ausführung
Das WORMSER liegt im Schnittpunkt der Linien von romanischem Dom und jüdischem Friedhof. In Sichtachse liegt der Wormser Bahnhof, Aus-gangspunkt der Deportation der Wormser Juden. Diese Situation nimmt der Maler Klaus Hopf als Anstoß für sein Kunstwerk „Vorhang der Hoff-nung“, in Assoziation zum Zerreißen des Vorhangs im Tempel im Moment des Sterbens Jesu und zum Vorhang im jüdischen Tempel vor dem Aller-heiligsten, der heute in jeder Synagoge vor dem Toraschrein hängt.
Klaus Hopf wird einen Vorhang von 30 Meter Länge und 7 Meter Höhe bemalen und in das offene Fenster der Laderampe des WORMSER hängen, die den Bahngleisen zugewandt ist. Der Vorhang trägt Figuren seines Bil-derzyklus zum „Aufrechten Gang“. Er wird der Witterung ausgesetzt sein, den Staub der Stadt aufnehmen, sich im Wind bewegen, zerreißen.
Ein Kunstobjekt der Vergänglichkeit, des Transitorischen im doppelten Wortsinn: Auch die Reisenden, die mit dem Zug am WORMSER vorbeifah-ren, werden den Vorhang nur flüchtig wahrnehmen können.
Das Prinzip Hoffnung treibt mich um
"Alles ist veränderbar, sagte ich. Aber es ist so ermüdend, sagt er." (Stefan Heym, Ahasver)
Hoffen heißt für mich: Veränderung ist möglich. Als Mensch und Künstler treiben mich die Prinzipien der Hoffnung mit Ernst Bloch und des aufrech-ten Gangs mit Volker Braun.
Es ist meine Hoffnung, dass sich Menschen nicht Ideologien, kommerziel-len Zwängen oder dem Zeitgeist unterwerfen. Dass sie frei, selbstbe-stimmt und selbstkritisch denken und handeln. In meinen Bildern zeige ich das Archaische in uns und stelle es zugleich in Frage: Brutalität, Machtver-liebtheit, Kleinheit, Anstrengung, Rollenverhalten. Und die Öffnung der Seele: Leichtigkeit, Verspieltheit, Verwundbarkeit, Nähe.
Mit Farbe und Form verweise ich auf das, was möglich sein kann. Meine Bilder fordern die phantasievolle Interpretation, auch den Widerspruch durch den Betrachter. Auf meinen Bildern kristallisiert sich meine real-utopische Gedankenwelt immer in der menschlichen Figur. Ich bediene mich der anatomischen Maschinerie: der Knochen, Muskeln, Sehnen, Ner-ven, Adern, um dem menschlichen Wesen ein Bild zu geben. Ich löse Kör-perlichkeit auf und füge sie neu zusammen.
Die Figuren auf dem Vorhang des WORMSER sind aus meinem nicht abge-schlossenen Bilderzyklus zum Aufrechten Gang. Er gelingt nicht immer, er beginnt zaghaft, tollpatschig, mündet im Rückzug, im erneuten Versuch – manchmal in einem schwerelosen Flug.
30.09. Ben Patterson
Fluxus Lectures
Ben Patterson "Godfather" of Fluxus hat speziell für Worms einen Fluxusparcour durch das Gebäude entwicklet.
01.10. Jai Gonzales, Bernhard Fauser
Unterwegstheater Heidelberg mit Tanz und Bewegung im Raum.
Mit einer eigens geschaffenen Choreografie kommen die Macher des Art-Ort Heidelberg nach Worms und tanezen das Wormser.
02.10. Monika-Margret Steger
Gastmahl und Symposion mit Beteiligten, Bürgern und Künstlern
Die Möglichkeit der Begnung und des Ausstauschs steht im Mittelpunkt eines inzenierten Gastmahls als Abschluß der Veranstaltungsreihe.
weitere Informationen: Dokumentation