partizipative Bronze Skulptur
(ein)stehen wofür?
Begriffsbilder zu Luthers Großen Schuhen
HIER STEHE ICH
Hier stehe ICH
und HIER stehen Sie und Sie und Sie.
Hier stehen WIR, weil vor knapp 500 Jahren hier einer stand
Einer
Ein Einzelner
Der einstand für etwas
Stehen wofür?
Wofür steht stehen?
Stehen
stehen und aufstehen
stehen und einstehen
stehen und beistehen
Stehen
und innehalten
und bedenken
und verstehen
REFORMATION
re.FORM
wieder in Form bringen,
was aus der Form geraten ist
Die Reformation des Gedenkens
als Transformation ins HEUTE
Eine Bronzeplastik
nicht als Figur auf Sockel mit Schuhsohle auf Aughöhe.
Der Sockel mit Sohle und Schuh:
als Angebot, Einladung, Aufforderung,
Bekanntes neu zu sehen, zu denken zu erkennen -
in einer anderen, einer neuen, einer wieder passenden Form
Diskurs
ein miteinander reden,
Alternativen entwickeln das Gegenteil eines festgefügten Standpunktes
kein „Entweder-Oder“,
vielmehr ein gemeinsames Ringen um Form und Inhalt, um Wahrheit,
das wollte Luther wohl, als er am ersten Tag hier stand und lediglich 24 Stunden Bedenkzeit bekam um sich zu entscheiden. Ja oder Nein?
Er stand hier an diesem Ort und sollte widerrufen, woran er geforscht und geschrieben hatte, worüber er gelehrt und gepredigt hatte, was er erlebt und geglaubt hatte.
Das war zu viel verlangt. Da konnte er eigentlich nur nicht widerrufen.
Später wurden zusätzlich die Worte überliefert:
„Hier steh’ ich, ich kann nicht anders."
Die lassen sich so nicht nachweisen.
Trotzdem wurden sie über die Jahrhunderte zu einer griffigen Formel für das Eintreten Luthers für die persönliche Freiheit.
Wobei es ja im Sinne Luthers auch lauten könnte:
„Hier stehe ich: Es geht auch anders!“
Paradoxon
In dem Moment, in dem Luther sagt,
dass er nicht anders handeln könne,
weil er gebunden sei in Gottes Wort.
Genau in diesem Moment artikulierte er eine bis dahin nicht gekannte subjektive Freiheit und sagt eigentlich:
„Ich muss auch anders können“
„Ich kann sagen, was ich denke.
Ich kann sagen, was ich mit meinem Gewissen vereinbaren kann
und nicht nur: ich kann anders. Eigentlich sagt er: Jeder kann anders“
Und zwar jeden Moment, immer,
Jederzeit zum Beispiel auch JETZT, Heute, Hier !
FREIHEIT
„Seine Freiheit“
das war keine grenzenlose Freiheit,
keine absolute Freiheit, sondern eine relative Freiheit
Eine Freiheit in Beziehung,
eine Freiheit in Relation.
eine subjektive Freiheit,
bezogen auf das eigene Gewissen
in Beziehung zu Gott und Gottes Wort.
Eine Freiheit in Gebundenheit.
Eine Freiheit für und nicht eine Freiheit von.
Eine Freiheit,
die nichts mit falsch verstandenen
und unmenschlich praktizierten Freiheitsbegriffen zu hat.
Freiheit
Hier aus dem Mund eines mittelalterlichen Mönchs
scheint ein anderer Freiheitsbegriff auf.
Ein Freiheitsbegriff, der für unsere heutige Zeit noch einzulösen ist.
Eine Freiheit, die erst entsteht in Beziehung – die sich definiert im bezogen sein auf, die sich ausdrückt in Verbindlichkeit.
Freiheit in Gebundenheit -
Wie ist das in einer Situation/in einem System gefangen und doch frei zu sein?
Es steht Ihnen frei einzutreten in die großen Schuhe Luthers
Frei zu stehen aber gebunden
zum Beispiel an die Vorgabe der Skulptur
SPUREN
Diese Entscheidung Luthers, des einzelnen Menschen,
wurde Fanal, Anfang und Aufbruch für Viele und Vieles
. . . und hinterließ Spuren
Spuren von Gebrauch und Missbrauch
Spuren von Deutungen und Bedeutungszuweisungen
je nach den Verhältnissen der Zeit,
nach den Beziehungen in der Gesellschaft,
und den Folgen von Macht und Ohnmacht.
Spuren aber auch
als Vorschein von Möglichkeiten,
auf eine andere, eine bessere Welt.
Große Spuren
für Kirche und Welt.
Großer Fußabdruck
Groß in vielerlei Hinsicht.
- Etwas von diesen Spuren erlebbar machen.
HINDURCH
Hinein und Hindurch!
Hindurch geht es erst, wenn man hineingeht.
Luther ging hinein in diese Situation,
die anders war als erwartet.
Statt Diskurs
war Ja oder nein gefordert.
Bist du für mich oder gegen mich?
Keine Nuancen, sondern eine Entscheidung.
Hindurch
als Mönch und Mensch - nicht Heiliger oder Superheld
Hindurch
Luther als Türöffner
Hindurch
Was kommt nach dem Hindurch?
Wie geht es weiter mit dem Denken
nach dem Überschreiten von Grenzen?
Was geschieht, wenn die alte Ordnung nicht mehr gilt
und die neue noch nicht?
Hindurch
aus den engen Grenzen des mittelalterlichen Systems
in eine andere Welt
eine andere Welt ist immer möglich
im Guten und im Schlechten –
im Engen und im Weiten –
im Kleinen und im Großen
nicht sich selbst begrenzen
nicht in den Schuhen stehen bleiben
nicht verharren auf dem Standpunkt
und doch:
ohne Grenzen kein Hindurch
SCHUHE
Große Schuhe
52 cm, 120 Kilo, Schuhgröße 78
aus Bronze, nach Tonmodell im Wachsausschmelzverfahren gegossen,
auf Sandsteinboden fest verankert
Große Schuhe - Schwere Schuhe
Schuhe, in denen man nicht springen kann.
Schuhe, in denen man nicht postmodern, leichtfüßig, unverbindlich
von einem zum anderen Standpunkt hüpfen kann.
In seinen Schuhen stehen - In seine Fußstapfen treten - eintreten
Standbein und Spielbein:
Da steht man nun. Fest.
Verbunden mit den tiefen Wurzeln der Geschichte.
Beinahe wie eingegossen
in dieser Bronzeskulptur.
Den großen Schuhen Luthers.
KUNST KANN
Kunst kann
Kunst kann vieles
Kunst kann unterhalten und dekorieren
Kunst kann verstören und in Frage stellen
Kunst kann schön und hässlich sein
Kunst kann gefallen und auch nicht
Kunst kann tot oder lebendig sein
Kunst kann wie das Leben sein
Entscheidend ist was wir damit machen.
Was machen wir in oder aus der Situation in der wir sind?
In Beziehungen und Bedingungen
die wir uns nicht immer aussuchen können?
Lassen wir uns darauf ein?
Treten wir ein in unsere persönliche Verantwortung?
Eine persönliche Verantwortung
die eben nicht in grenzenloser Freiheit,
sondern nur in Beziehung sich entfalten kann . . . in Gebundenheit.
Auf dem Bronzesockel ragt ein Schuh etwas hinaus
(so wie auch beim großen Lutherdenkmal)
Ein Schritt nach vorn
ein Vorschein – ein Aufscheinen des Neuen
Kunst kann
Kunst kann einen Vorschein davon geben,
was sein kann.
Kunst kann im Jetzt materialisieren, was eigentlich (noch) nicht ist
Einlassen
einlassen auf eine Skulptur
auf eine Skulptur, die offen ist.
einlassen auf eine partizipative Bronzeskulptur.
Eine Skulptur, die erst vollständig wird,
wenn jemand sich darauf einlässt.
Wenn jemand eintritt.
Wenn jemand handelt.
eine Bronzeskulptur als soziale Plastik.
Soziale Plastik
Eine soziale Plastik,
in der der einzelne an seinem Platz mit seinem Handeln dafür eintritt, dass aus dieser Gesellschaft ein wunderbares Kunstwerk wird:
Eine GUTE GESELLSCHAFT.
Das Kunstwerk der „guten Gesellschaft“
das entsteht: -
Wenn SIE sich einlassen.
Wenn SIE eintreten.
Und einstehen
Wofür SIE stehen.