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Gedenkort Worms

Lern- und Gedenkort an die Deportationen während der NS-Zeit in Worms

 

Auf den beiden Bahnhofsplätzen, dem Sankt-Albans-Platz und dem Auxerre-Platz, soll ein Lern- und Gedenkort entstehen, der einlädt zum Inne-Halten, zum Nach-Denken. Für die beiden Orte schlagen wir ein zweiteiliges Kunstwerk vor, das als räumliche Intervention an den beiden Plätzen eine sich ergänzende räumliche Intervention bildet und konkret auf die stadträumlichen und inhaltlichen Anforderungen reagiert.

Beide Raumskulpturen stehen da an ihrem Ort und sind nicht zu übersehen, sind nicht zu leugnen. Und sie lassen sich auch nicht durch Verschweigen oder bewusstes Wegschauen zum Verschwinden bringen, so wie man in der NS-Zeit und auch danach noch das Verschwinden der Opfer der Gewaltherrschaft vor sich und anderen verleugnete. Die beiden Objekte erscheinen zunächst fremd, befremdlich, störend. Das wirkt auf die Passanten und lädt dazu ein, genauer hinzuschauen, genauer zu lesen, genauer zu verstehen, was da eigentlich war und warum das möglich war.

Die Überlagerungen der Bedeutungsebenen des Kunstwerks lassen unterschiedliche Möglichkeiten offen, wie es gesehen, gelesen und verstanden werden kann. Kunstwerk als Ort:

Ort des Gedenkens
an alle Opfer der NS Gewaltherrschaft

Ort der Erinnerung
an die Deportierten und deren Familien

Ort als Mahnmal
der Entmenschlichung und Verdinglichung der Menschen

durch Aussortieren, Ausgrenzen, Abtransportieren aus der Mitte der Gesellschaft.

Ort als Hinweis
auf das Leugnen und Verschweigen und Verdrängen damals und heute

 

Ort der Warnung
vor dem Unrecht, das durch menschenverachtende Ideologien entsteht

Ort zur Stärkung
der Urteilskraft und zur Ermutigung, zum Schutz der Menschen und Menschenrechte einzustehen

Ort der Hoffnung
dass so etwas vermieden werden kann

 

Lernort Keil:

 

 


Auf dem Auxerre-Platz, dem sehr differenziert gestalteten Platz auf der Westseite des Bahnhofsvorplatzes, steht ein erratisches Objekt als ein Teil des Kunstwerks. Ein Block, der wie ein Keil in den Platzboden gerammt scheint. Ein polygonales Objekt mit Infoscreens und Schaukästen in denen Objekte, Texte und Bilder zu sehen sind. Die einzelnen „Schaufenster“ zeigen Artefakte und Kunstwerke, zum Beispiel:

 

Verlorene Objekte“, die aus dem dem Alltag gefallen scheinen

Videos über historische Einzelschicksale

Fotos der Verwüstungen (gestern und heute)

Fotos vom Marsch der Deportierten (gestern und Heute) in Worms

Texte zu Grund- und Menschenrechten

Informationen zu aktuellen oder historischen Ereignissen

Warnungen vor aktuellen Gefährdungen der Menschenrechte

Informationen über aktuelle Ausgrenzungen und Gefährdungen

 

Die Schaufenster des Keils können durch Kooperationspartner wie Schulen, Vereine, Initiativen und Institutionen genutzt werden. Der etwa 4 m hohe Keil aus orange eloxiertem Metall steht dazwischen. Er steht zwischen den zwei östlichen Plattformen, im Weg, im Schulweg, in einem der diagonalen Wege zum Bahnhof. Er stört dort das ungestörte "Weiter So". Den vielen Schüler*innen und Besucher*innen des Bahnhofs, die diesen Platz frequentieren, bietet dieser Teil der Kunstintervention vielfältige Assoziations- und Informationsmöglichkeiten zu historischen und aktuellen Bezügen von Gewaltherrschaft, zur Warnung vor immer wieder neu entstehenden Gefahren für Menschen und Menschenrechte und zur Ermutigung gegen Gewalt und Unrecht aufzustehen.

Ein Keil im Alltag als Warnung und Ermutigung für Menschen und Menschenrechte einzustehen.
Assoziationen:Warum eigentlich? Wer bestimmt? Wie weiter? Offene Gesellschaft - Geschlossenes System, Toleranzdilemma, Gleichgültigkeit zerstört

 

Gedenkort Rampe:

 

 

 


 

Auf der östlichen, der Stadt zugewandten Seite des Bahnhofsvorplatzes steht eine Rampe. Man sieht diese Rampe, wenn man die Stadt vom Bahnhof aus betritt. Diese Rampe steht da. Einfach so. Einschneidend, fremd, befremdlich und lädt dazu ein näherzukommen,zu lesen, zu fragen, zu denken. Die Rampe steht auf dem freien Platz zwischen den Bäumen. Als ein zunächst abstrakt wirkendes Objekt, weist sie aus dem Stadtraum der Stadtgesellschaft hinaus. So wie die Bürgerinnen und Bürger raus aus Stadt und Gesellschaft, ausgegrenzt, aussortiert und abtransportiert wurden. Wie Vieh wurden die Menschen über Bahnhof und Bahngleise hinweg in den Tod geschickt.Durch den Alltag hindurch ins Grauen geführt. 

Das begehbare Kunstwerk besteht aus einem 9 m langen, 1.20 m breiten und auf 60 cm Höhe ansteigenden Bodenrost mit 1.20 m hohen, mittelgrauen Stahlbrüstungen. Den Abschluss bildet eine orange eloxierte Metallplatte mit einem Fragezeichen und einem Ausrufezeichen. Diese von weitem wahrnembare Metallplatte verstärkt den Eindruck einer Störung, des Willkürlichen, des Befremdlichen mit einem neugierig machenden Signal. Die Stahlwangen der Rampe sind durch die herausgeschnittenen Namen der Deportierten durchlöchert. Im Handlauf der Rampe ist eine Beleuchtung integriert. Am Anfang der Rampe sind in eine Bodenplatte die historischen Daten eingraviert. Die Rampe als abstrakte Transportstruktur erinnert an das unheimlich Unmenschliche, von der Bevölkerung nicht verhinderte Aussortieren und Abtransportieren von Menschen mitten aus der Stadtgesellschaft heraus. Ein Einbruch und Einschnitt der Gewalt in die Normalität. Ein Denkraum als Zäsur, Einschnitt und Störung im Zeitraum des Alltags. Die Rampe biete auch Raum für Vorträge, Veranstaltungen, künstlerische Darbietungen, Raum zum Innehalten, Denken und Besinnen.

Ein herausgenommener Ort, ein Gedenkort als ein Überlegensraum, als Verhandlungsraum, Dialograum und Diskursort

Assoziationen: Rampe, Störfall, Weg, weg; Riss, zerrissen, herausgerissen; Lücke, verschwunden, nicht mehr da, Nachkommen fehlen; 
fragiles Dasein, Un-Gleichgewicht, prekäre Kulturschicht

 

Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen.“ (Primo Levi)

 

06.2025 © illig & illig